Der unfassbare Abschied des Lukas Claus
In dieser Woche schockte Lukas Claus seine Fans mit der Nachricht, dass er seine Karriere beendet habe. Nicht nur für seinen SC Riesa, sondern auch für die gesamte deutsche Sportakrobatik ist das ein katastrophaler Verlust. Mit seinem Obermann Nikolaj Dewataikin holte er in den letzten beiden Jahren zwei internationale Medaillen. Damit sind die beiden derzeit die erfolgreichsten deutschen Sportakrobaten und waren die größte Medaillenhoffnung für die anstehende Weltmeisterschaft in Polen. Porträt eines Abschied Nehmenden.
Lukas ist ein Checker, wie er im Buch steht: Er hört deutschen Rap, am liebsten Bushido. Man kennt ihn mit cooler Sonnenbrille und dicken funkelnden Ketten um Hals und Handgelenk. An jedem zweiten Finger prangt in breiter Ring. Auch die Ohren glitzern. Er fällt auf. Und das gerne. Letzten Winter begeisterten die Riesaer Sportakrobaten mit einer Show unter dem Motto „Michael Jackson“. Es versteht sich von selbst, dass Lukas dabei den MJ gab. „Wenn die Welt sonst keinen einzigen Sportakrobaten aus Deutschland kennt, den Lukas kennen sie alle. Beim internationalen Turnier in Swidnica letzte Woche haben wieder reihenweise Mädels nach ihm gefragt“, erzählt Funktionär Rolf Naumann.
Mit 13 ging er aufs Sportinternat in Riesa, im Alter von 16 Jahren bezog er eine eigene Wohnung in der Sportstadt. Er fährt Motorrad, tut und lässt, was er will. Er lebt! Und sein Leben füllte er in den letzten Jahren vor allem mit Sport und Spaß. Insgeheim träumt er von einem Job als Schauspieler oder Stuntman, von Ruhm oder Action.
Trotz aller Freiheiten, die er sich nimmt, unterwarf er sich in den letzten Jahren knallhart den Gesetzen des Leistungssports: Fünfmal Training pro Woche, zwischen zweieinhalb und viereinhalb Stunden. An Wochenenden oftmals unterwegs: Wettkämpfe, Auftritte oder wieder Training. Das Springen ist seine große Leidenschaft und Stärke. Er ist einer der ganz wenigen Akrobaten, die einen individuellen Doppelsalto beherrschen. Saltos und Schrauben, vorwärts wie rückwärts, liegen ihm im Blut: „Ich denk da nicht drüber nach, ich mach einfach.“ Nicht nur in der Halle, auch draußen. Seine allererste Doppelschraube sprang er im Freibad auf dem Rasen: „Da hat einer ne eineinhalbfache Schraube gekonnt“, erzählt er. Lukas musste natürlich unbedingt einen draufsetzen. „Ich war ganz schön erleichtert, als ich rum war. Schön war diese Doppelschraube sicher nicht.“ Auf YouTube veröffentlicht er Videos von seinen draufgängerischen Aktionen. Jedem Trainer muss angesichts des Verletzungsrisikos angst und bange werden.
Karriereende mit 17: eine Entscheidung der Vernunft
„Man könnte den Eindruck gewinnen, dass ich ein völlig sorgenfreies Leben führ“, gibt Lukas grinsend zu. „Aber ganz so is es auch nicht. So langsam muss ich und wollen meine Eltern wissen, wie es später weitergeht. Ich werd kein Schauspieler und kein Stuntman werden, sondern hab mir zum Ziel gesetzt, ganz bodenständig das Geschäft meiner Eltern zu übernehmen. Da is es wichtig, dass ich einen Abschluss hab. Ich bin ein fauler Mensch, was die Schule anbelangt. Wenn ich jeden Tag trainier, schaff ich das Fachabitur nicht. Ich hab mich entschieden, die Abschlussklasse daheim bei meinen Eltern zu machen. Da kann ich mich besser auf die Schule konzentrieren. Ich zieh im Sommer aus Riesa weg. Nach der WM wär also ohnehin Schluss gewesen, auch wenn Coswig nur 30 Kilometer entfernt is.“
Aber selbst so weit sollte es nicht mehr kommen: Das vergangene halbe Jahr bescherte dem noch so jungen Herrenpaar mit einer Reihe von Verletzungen die negativsten Momente der gemeinsamen Karriere: Nach und nach mussten alle geplanten Wettkämpfe abgesagt werden. „Erst verletzte sich Nik beim Tsukahara am Fuß. Gerade als wir wieder das Training aufnehmen konnten, hab ich mich an der Schulter verletzt und wir mussten wieder pausieren. Am Schluss machte auch noch der kleine Finger Ärger.“ Jetzt sind beide zwar wieder fast ganz gesund, aber die gute Form vom letzten Jahr ist weg. Außerdem ist Nikolaj gewachsen. „Igor hat uns immer wieder Hoffnung gemacht, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass wir an der WM nochmal eine Medaille hätten holen können. Das klingt vielleicht arrogant, aber als Vizeweltmeister möcht ich meine Karriere nicht mit einem fünften oder sechsten Platz beenden.“ Trainer Igor Blintsov ist schwer enttäuscht: „Nach so einer Pause ist es natürlich hart, sich wieder nach oben zu kämpfen. Aber ich bin überzeugt, dass die beiden es immer noch aufs Treppchen hätten schaffen können.“
Sein sportliches Umfeld reagierte unterschiedlich auf die traurige Nachricht. Partner Nikolaj konnte Lukas‘ Entscheidung nachvollziehen: „Mit Nik bin ich im Reinen, er versteht mich.“ Besonders wegen ihm sei ihm die Entscheidung sehr schwer gefallen und auch wegen dessen Mama Elena Dewataikin, die ebenfalls als Trainerin im SC Riesa arbeitet: „Elena hat sich so für uns bemüht und Nik immer alles ermöglicht, damit er solche Leistungen bringen kann. Da hat es mich schon sehr mitgenommen, das alles beenden zu müssen.“ In der Abteilung fiel das Verständnis eher gering aus: „Igor und Schöni [Frank Schöniger ist Abteilungsleiter der Riesaer Sportakrobaten] werfen mir vor, dass ich in letzter Zeit die falsche Einstellung hatte und das Training zu leicht genommen habe. Da gebe ich ihnen auch Recht, am Schluss war ich echt unmotiviert.“ Aber seine Entscheidung ist gefallen.
Rückblick auf eine steile Karriere
Damit geht eine fast fünfjährige Karriere zu Ende, die fast immer steil nach oben führte. Zum Turnsport kam Lukas aber schon viel früher: Mit vier Jahren fing er in seiner Heimatstadt Coswig mit dem Geräteturnen an. Er war ehrgeizig und erfolgreich, schon als kleiner Junge träumte er von Olympia. Im Alter von zwölf Jahren absolvierte er eine einwöchige Sichtung bei den Leistungsturnern im Olympiastützpunkt Chemnitz. Aber er war zu spät, sein Zug nach Olympia war bereits abgefahren. Die Trainer offenbarten Lukas, dass aus ihm kein Leistungsturner mehr werden würde.
Von Sportakrobatik hatte er zu diesem Zeitpunkt noch nie etwas gehört, aber noch bei der Sichtung in Chemnitz empfahl ihm eine Trainerin – seine spätere Choreographin und Igors ehemalige Partnerin im Mixed Paar Inna Atazhanova -, sich bei den Akrobaten in Riesa vorzustellen. „Meine Mutter hat mich lange überreden müssen, dass ich zum Probetraining nach Riesa geh. Ich wollte auf keinen Fall Sportakrobatik machen. Mit dieser Einstellung bin ich da hin.“ Das war an seinem 13. Geburtstag. In wenigen Wochen wird Lukas 18. „Ich hab das noch ganz genau vor Augen. Ich bin damals in die Halle marschiert und seh als erstes René und Phuong Einarmer und lauter so krasse Sachen machen. Da war mir sofort klar: Da bleib ich!“
An diesem Tag begann eine furiose Erfolgsgeschichte. Relativ schnell wurde mit Nikolaj ein passender Obermann für Lukas gefunden und nach Riesa geholt: Anfangs war noch überhaupt nicht abzusehen, was für eine Erfolgsgeschichte hier geschrieben werde würde. Aber vor allem Nikolaj stellte schon sehr bald unter Beweis, was in ihm steckt: 2006 gelang den beiden der Durchmarsch: Von der Schülerklasse weg wurden sie in allen Altersklassen Deutsche Meister. Im folgenden Jahr feierten sie auf der EM in Holland ihr internationales Debüt und wurden vierte. 2008 absolvierten sie mit dem Vizeweltmeistertitel in Glasgow ihr Meisterstück, der „schönste Moment“ seiner fast fünfjährigen Laufbahn. „Manchmal schau ich mir das Video von unserem allerersten Wettkampf an. Das war das Frühlingsturnier 2006 in Dresden. Damals waren wir wirklich schrecklich. Es is unglaublich, was Nik in den zweieinhalb Jahren bis zur WM alles gelernt hat.“ 2009 folgte dann noch EM-Bronze und jetzt der für Außenstehende und auch manch engen Vertrauten plötzliche und unfassbare Abschied.
An die Leser von akrobastisch.de schreibt er:
Auch nach seinem Karriereende will Lukas der Sportakrobatik verbunden bleiben, „aktiver Hochleistungszuschauer“ sein. Zum Sachsenpokal kommt er natürlich, sein Bild ziert Plakate, T-Shirts, Urkunden und Pokale. Auch bei Deutschen Meisterschaften will er immer wieder vorbeischauen und zur WM nach Polen fährt er auch. „Wie kommt man da eigentlich an Karten für das Bankett?“, fragt er. „Bisschen Party machen…“ Ganz aus der Szene zurückziehen will sich der Checker also nicht. Die Mädels wird es freuen…
Indes ist noch unklar, wie es für Nikolaj weitergeht. Auch er spielt derzeit mit dem Gedanken, die Sportakrobatik an den Nagel zu hängen: „Wir werden alles versuchen, um Nikolaj zu halten“, versichert Rolf. „Er ist schließlich der beste Obermann in Deutschland.“ Hoffen wir, dass er mit ein bisschen Abstand die Lage wieder positiver beurteilt und uns allen erhalten bleibt. „Ich würd mich riesig freuen, wenn ihm ein Neuanfang gelingt und er noch viele weitere unvergessliche Jahre in der Sportakrobatik erlebt“, wünscht Lukas ihm alles Gute.
Category: Personalien und Verbandsangelegenheiten
Lieber Lukas! (lieb? naja 😉 )
Es war eine schöne Zeit mit dir und immer, immer lustig! Schau mir zu gerne die ganzen Fotos und Videos an dir wir alle zusammen gemacht haben.
Nicht nur die von den Wettkämpfen, denk mal an den Hühnerstall 🙂 Das waren Zeiten..
Ich hoffe du kommst uns mal in Pfungstadt besuchen, wäre echt schade dich nicht mehr zu sehen.
Viele liebe Grüße
Ich bzw. wir vermissen dich!
Kelly
Au man, voll schade aber auch zu verstehen. Ich hab selber mindestens 16 Jahre als Trainer gearbeitet und nun vorübergehend diese Tätigkeit eingestellt. Aber vielleicht stellst Du Dein Wissen ja in Deinem Heimatort dem Nachwuchs zur Verfügung-so hab ich es vor.Ganz im Kleinen und mit viel Fun, da bleibt auch Zeit für privaten Freiraum! Es wäre ein Gewinn für die Kids und die Sportart an der doch unser Herz hängt.
Machs gut und viel Erfolg in Deinem Leben wünscht Dir Sabine
Liebster Lukas,
du weist du warst immer mein kleines Baby und das wirst du auch immer bleiben.
Dieser Text über dich trifft dich genau und ist wunderschön geschrieben. Ich bin sehr stolz auf dich das du diese Entscheidung getroffen hast, aber das weist du ja bereits.
Du warst immer mein kleiner Tollpatsch der sehr faul war und dem ich nie etwas schlechtes könnte. Ich musste dir so oft in deinen Arschi treten, aber es hat mich immer wieder mit Stolz erfüllt das du es angenommen hast. Egal in welchen Hinsichten und du weist was ich meine? Du doofer doofer Blödzaun 😀 Trotz alle dem war ich immer von dir erstaunt mit wieviel liebe du zu jedem Training gegangen bist und es durch gezogen hast. Leider konnte ich nur wenige deiner Wettkämpfe sehen. Doch ich bin mir sicher das jeder ein voller erfolg war und das hast du mir ja auch ausreichend berichtet 😉 alles 😀
Naja es bringt mir jetzt nicht viel wenn ich dir hier noch mehr schreibe 🙂 Du weist genau wie stolz ich auf dich bin. So sehr es mich auch traurig macht das du es alles aufgibst…
In liebe deine kleine Mutti =*
Hey mein kleienr Cousin 😉
meinste echt das das jetz der richtige Schritt war ??
Aber hast schon Recht zu Hause bei deinen Ellis haste mehr Zeit für School..
Naja ich wünsch dir weiterhin viel Glück Großer.
LG Axel–> Diera =)
Lieber Lukas,
man lebt ja nur ein Leben…,und manchmal zwingt es einen zu Entscheidungen, weil man sich halt nicht zerteilen und vervielfältigen kann.
Ich habe Dir und Nikolaj oft atemlos und mit gedrückten Daumen zugesehen – und bedaure sehr, dass diese Spannung und Freude jetzt wohl ein Ende hat.
Neben Deinen persönlichen Erfolgen hast Du noch Anderes vor zu weisen, dass mir stets auf den Wettkämpfen ins Auge fiel: Freundlichkeit, Fairness, Kollegialität hast Du transportiert. Ohne Starallüren bist Du den jüngeren Sportlern begegnet.
Moritz hat sich immer gefreut, Dir zu begegnen. Ich denke, Du warst und bist ihm also nicht nur turnerisch, sondern auch als Mensch ein Vorbild.
Dafür möchte ich Dir danken.
Ganz fest wünsch ich Dir alles Gute für Ausbildung, Beruf und all das, was Dir am Herzen liegt.
Beste Grüße aus Dresden –
einfach mal auch im Namen von Moritz und Rosa,
Katrin von der Bey-Löhmann
so lukas, verrätst du mir jetzt auch mit wem ich abdancen soll auf sportlerpartys??? mhmm lässt mich einfach in stich! 😉
aber alles gute fürs weitere leben. wir werden uns noch öfters sehen!!
mfg denny
¡Lieber Lukas!
ich wuensche dir fuer deine Zukunft alles Gute, hoffentlich behaelst du viele schoene Erinnerungen an die letzten 5 Jahre und laesst dich noch auf vielen Wettkaempfen blicken! Es freut mich das du deinen Weg gefunden hast. Ich hoffe Nikolaj findet seinen auch.
werd dich (euch) vermissen!
Liebe Gruesse aus Peru,
Nina 🙂