WM in Baku (1): Zweimal Bronze, eigentlich Silber…
Bei der Weltmeisterschaft in Baku (Aserbaidschan) hat Deutschland letzte Woche zweimal Bronze gewonnen. Beide Erfolge gingen wieder einmal auf das Konto des Ausnahme-Mixed-Paares Daniel Blintsov (SC Riesa) und Pia Schütze (SC Hoyerswerda), die es sowohl in Kombi als auch in Balance aufs Podium schafften.
Noch vor wenigen Jahren hätten Daniel und Pia am Ende des hochspannenden Balance-Finales eine Silbermedaille umgehängt bekommen. Damit wären sie nach 2021 ein weiteres Mal Vizeweltmeister gewesen. Denn genau genommen waren die zweitplatzierten Briten Dylan Howells und Natasha Hutchinson in Balance nicht besser. Sie bekamen bis aufs letzte Tausendstel die exakt gleiche Wertung. Früher gab es in solchen Fällen Silber für beide Paare. Inzwischen aber sieht das Regelwerk vor, dass die Techniknote den Ausschlag gibt. Und da lagen die Briten vorn.
(K)ein Erfolg!?
Auf der einen Seite dürfte es nie leichter gewesen sein und vielleicht auch nie mehr leichter werden, den WM-Titel zu gewinnen: nach dem Ausschluss von Russland und Weißrussland. Und auch die Ukraine war natürlich diesmal nicht dabei. Außerdem fehlten von den Top-Nationen noch China und Nordkorea. Insgesamt waren diesmal nur 17 Nationen bei der WM vertreten. In Kombination mit der Wiedereinführung der kleinen Finals und damit dreimal so vielen Medaillen wie bislang führte das auch zu einer Vielzahl an Premieren: erste WM-Medaillen für Österreich (Damengruppe – Balance – Bronze) und Ungarn (Damenpaar – Kombi – Silber), erster WM-Titel für Kasachstan (Herrenpaar – Balance), erste WM-Titel für die USA in den Disziplinen Herrenpaar (Kombi und Tempo) und Damengruppe (Balance). Mit Sicherheit hatte sich hierzulande der eine oder andere überlegt, dass die amtierenden Vizeweltmeister Daniel und Pia mit guten Chancen auf den ersten (echten) WM-Titel für Deutschland anreisen…
Nina Blintsov, Heimtrainerin des Duos beim SC Riesa und Mutter, hält hingegen den Ball flach: „Wir wollten ein sauberes Programm zeigen. Nicht umsonst heißt es: ‚Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, erzähle ihm von deinen Plänen.‘ Ich plane keine Erfolge ein oder rechne mir Chancen aus. Ich sage zu meinen Athleten, dass sie bei jedem Training so hart und produktiv wie möglich arbeiten sollen. Vor allem beim Wettkampf aber sollen sie bloß nicht an ihre Chancen oder Ziele denken. Das wird nur stören! Sie sollen bestmöglich den Kampfrichtern ihre Geschichte erzählen und ihren Auftritt vor allem genießen.“ Das gelang übrigens erst im Kombi- und Balance-Finale uneingeschränkt. In der Qualifikation zeigten Daniel und Pia noch Nerven, was die beiden auch die Teilnahme am Tempo-Finale kostete.
Auf der anderen Seite hatte sich bei den Mixed Paaren auch ohne Russland etc. eine bemerkenswerte Konkurrenz zusammengefunden. In allen anderen Disziplinen reichten teilweise deutlich weniger als die 28,89 Punkte in Kombi bzw. 28,94 Punkte in Balance von Daniel und Pia, um eine Medaille zu gewinnen. Bei den Damenpaaren und Herrenpaaren hätten die Wertungen von Daniel und Pia sogar jeweils locker für den Titel gereicht. „Das waren unsere schwersten Medaillen. Die Konkurrenz war unglaublich“, betonte dementsprechend Nina Blintsov.
Sogar das hochgehandelte Duo aus Aserbaidschan, das bei der EM 2021 mit 0,05 Punkten Vorsprung auf Daniel und Pia noch Mehrkampf-Silber geholt hatte und jetzt bei der Heim-WM sein höchstes Leistungsniveau präsentierte, verpasste zweimal die Medaillenränge. Vor allem die belgischen Dreifach-Weltmeister Bram Röttger und Helena Heijens überraschten alle: Erst seit drei Monaten trainieren die beiden zusammen! Allerdings handelt es sich um erfahrene Weltklasse-Athleten, schon 2017 war Röttger zweifacher Europameister…
Mit Blick auf die Karriere von Daniel und Pia sagt Nina Blintsov: „Es ist schwierig, aufs Treppchen zu kommen, aber noch viel schwieriger ist es, drauf zu bleiben. Am Anfang ist es ‚nur‘ körperlich schwer, aber es gibt noch keinen mentalen Druck, sondern du verfolgst deinen Traum. Dann aber steigen bei jedem Wettkampf die Hoffnungen und Erwartungen. Der mentale Druck und die Verantwortung wachsen immer mehr.“
Also: Ein Erfolg! Auch wenn die Antwort auf die Abschlussfrage ‚Bist Du glücklich?‘ zunächst nur lautete: „Ich bin müde!“ Dann aber ergänzt Nina Blintsov doch noch: „Natürlich bin ich glücklich, aber ich bin auch wirklich sehr erschöpft, sowohl körperlich als auch geistig. Die Doppelrolle als Mutter und Trainerin ist sehr schwierig. Es ist eine Arbeit, die einem das Herz bricht.“
Belgien dominiert!
Ganz knapp eine weitere Medaille verpasst haben Vincent Kühne, Tom Mädler, Danny Ködel und Ben Ködel vom Dresdner SC. Sie wurden im Tempo-Finale der Herrengruppen Vierte. Insgesamt landete Deutschland auf Platz acht des Medaillenspiegels, neun der 17 Nationen konnten sich dort verewigen. In der Teamwertung, in der sieben Nationen antraten, schaffte es Deutschland auf den sechsten Platz. Mit Abstand am erfolgreichsten war in diesem Jahr Belgien mit sieben Goldmedaillen (3x Mixed Paar – 2x Damengruppe – 1x Herrengruppe – Team).
DSAB-Sportdirektor Hannes Schenk zeigte sich im Anschluss „sehr zufrieden und stolz“ mit dem Abschneiden seiner Delegation. „Obwohl in der Qualifikation nicht alles glatt lief und das Team daher eine emotionale Achterbahnfahrt durchlebte, hat dann insgesamt jeder doch noch mindestens eine richtig gute Übung gezeigt. Die zwei Bronzemedaillen unseres Mixed Paares sind zudem ein wichtiger Schritt im Hinblick auf die World Games im Juli.“
Das weitere WM-Aufgebot bestand aus Gina de Vivo und Lea Petri (TSGV Albershausen / Damenpaar), Tobias Vitera und Albrecht Kretzschmar (Dresdner SC / SC Riesa / Herrenpaar) sowie Aelita Schelhorn, Christina Lust und Diana Lust (SV Mergelstetten / Damengruppe).
Bei den Wettkämpfen der Jugend (12-18 Jahre) und Junioren (13-19 Jahre) eine Woche zuvor fiel die deutsche Ausbeute mit drei erkämpften Finalteilnahmen eher mager aus. Mit zwei siebten Plätzen die deutschen Bestplatzierungen, beide bei den 13-19-Jährigen, erreichten Lisa Konrad, Finia Kaminski und Laura Konrad vom SVH Kassel sowie kurioserweise das Damenpaar Alisa Karsdorf (Möbisburger SV) und Mia Ohlsen (SG Schwarz-Weiß Oldenburg). Alisa Karsdorf war erst zwei Wochen vor der WM für die verletzte eigentliche Unterfrau Johanna ter Haseborg rekrutiert worden. Achte bei den Damengruppen der 12-18-Jährigen wurden Tara Engler, Tia Gazsi und Henriette Gille vom SC Hoyerswerda. Vierte bei den Herrengruppen der 13-19-Jährigen, allerdings ohne eine andere Nation hinter sich lassen zu können, wurden Carl Frankenstein, Aaron Borck, Pascale Dressler und Andreas Benke vom Dresdner SC.
Category: WM 2022 in Baku