Varna, Tag 11: Bilanz (national) der Europameisterschaft
Eigentlich hätte dieser Bericht schon längst geschrieben werden sollen. Am Sonntag, direkt nach Wettkampfende. Da ging aber alles so schnell: Siegerehrung, Cirque du Soleil (ausgerechnet Sportakrobatik…), Bankett, [Schlafen,] Abflug nach Hause – und schwups ist Dienstag. Eine rückdatierte Bilanz.
Deutschlands größte Medaillenhoffnung zerplatzte ja bereits am zweiten Wettkampftag: Aus dem ersehnten Edelmetall für Janina Hiller und Sophia Müller in Balance wurde nichts. Eigentlich müssten die beiden mit Platz vier im Feld von fünf sensationell guten Paaren sehr gut leben können. Aber von Freude keine Spur, sie fühlen sich vielmehr um ihre Medaille betrogen.
Warum? In der Qualifikation lagen die fünf Spitzenpaare genau 0,308 Punkte auseinander, die Differenz zwischen den späteren Europameisterinnen aus der Ukraine und den Deutschen betrug gar nur 0,121 Punkte. Im Finale zeigten Janina und Sophia dann sogar eine bessere Übung als in der Qualifikation – wurden aber schlechter bewertet. Die Konkurrenz hingegen erhielt (für gleiche Leistungen wie in der Quali) sogar noch bessere Noten… Am Ende betrug der Rückstand auf Bronze etwa fünfeinhalb Zehntel, der auf die Ukrainerinnen sogar über sechs. Sportlich ist das nicht zu erklären! Das Kampfgericht hat den Weißrussinnen und den Russinnen, die noch nach Janina und Sophia an der Reihe waren, wohl schlichtweg einen Puffer verschaffen wollen. Die Weißrussinnen hatten diesen Puffer nicht nötig, die Russinnen haben so dick gepatzt, dass er auch nichts mehr half. Wenn schon keine Medaille, eine faire Bewertung hätten Janina und Sophia mindestens verdient.
Bis 2012 ein Zehntel aufholen…
Dass Alex Dik und Justice Niesar am Ende nur ein Zehntel zu Balance-Bronze fehlen würde, hatte wohl niemand erwartet. Die beiden sind in Varna wirklich nur hauchdünn an einer Medaille vorbeigeschrammt. Auch im Mehrkampf wäre Edelmetall drin gewesen, aber manchmal sind es die kleinen Hürden, über die man stolpert: Nicht bei den Elementen, bei der Choreographie gab’s im Mehrkampf-Finale Probleme. Aber positiv formuliert: Es war erst der erste Start von Alex und Justice in der Juniorenklasse. Besser könnte ihre Ausgangslage für die WM 2012 kaum sein! Sie (und ihr Trainer) wissen jetzt, wo sie stehen. Sie wissen jetzt, dass ein Platz auf dem Treppchen in greifbarer Nähe ist. Wenn sie sich bis zur WM 2012 in Orlando nur noch einen Tick verbessern und das nötige Quäntchen Glück haben, muss es beim nächsten Anlauf einfach klappen.
Romy Hitzer, Susann Gocke und Sarah Juhr haben ebenso wie Marcel Becker und Janina Huck eine starke EM geturnt, die ihnen so mancher nicht zugetraut hätte. Nur zum Abschluss in der Kombi-Übung schlichen sich noch kleinere Fehler ein. Aber die taten dem tollen Gesamteindruck keinerlei Abbruch, schließlich hatten sie auch keine Auswirkung auf die jeweilige Platzierung.
Dass Romy, Susann und Sarah zweimal in den „kleinen“ Finals starten durften, Marcel und Janina (bei vergleichbaren Wertungen und Platzierungen) hingegen nicht, ist übrigens auf die speziellen Regeln der UEG zurückzuführen: Bei den Mixed Paaren waren elf Einheiten aus zehn Nationen am Start, bei den Damengruppen 13 Einheiten ebenfalls aus zehn Nationen. Die FIG macht die Anzahl der Finalplätze von der Anzahl der Nationen abhängig: Bei zwölf und mehr Nationen gibt’s acht Finalteilnehmer, bei weniger sechs. Das macht Sinn, es darf ja schließlich auch nur maximal eine Formation pro Nation ins Finale einziehen, bei der FIG wie auch bei der UEG. Die UEG macht dennoch die Anzahl der Finalstarter von der Anzahl der Teilnehmer (mehr oder weniger als zwölf) abhängig: Bei beispielsweise 14 Startern aus acht Nationen kommt bei der UEG also jede Nation ins Finale. Das reduziert die Qualifikation oft auf einen Wettkampf lediglich zwischen den Einheiten derselben Nation… Diese sehr spezielle Regelung brachte jedenfalls Romy, Susann und Sarah zwei Finaltickets.
Erfahrungen gesammelt
Die meisten deutschen Formationen konnten bei der EM leider keine herausragenden Platzierungen, sondern nur Erfahrungen sammeln. Bei manchen war das schon vorher klar, beispielsweise bei Dennis Stach und Emanuel Lang: Im ersten Jahr nach dem Sprung von der Jugend zu den Junioren und angesichts ihres Größenabzugs hat man von ihnen diesmal keinen erneuten Überraschungserfolg erwarten können. Trotzdem hat sich ihr Start im Hinblick auf die WM 2012 garantiert gelohnt.
Tamara Kämpfert, Hannah Schmid und Valery Maslo hingegen waren (zu Recht) als Hoffnungsträger zur EM gereist: Nicht gleich mit einer Medaille, aber mit dem Finaleinzug hatten sie durchaus geliebäugelt. Sie haben aber bis zuletzt nicht wirklich ins Turnier gefunden, keine Übung lief richtig rund durch – wahrscheinlich haben sie sich selbst zu sehr unter Druck gesetzt. So nahmen auch sie leider nur Erfahrungen aus dem Turnier mit, die ihnen beim nächsten Mal aber bestimmt helfen werden. Bei der WM 2012 in Orlando machen sie es besser!
Category: EM 2011 in Varna