EM in Riesa: Schwieriger Start, große Steigerung
Die EM-Berichterstattung der letzten Tage widmete sich ausschließlich dem sportlichen Geschehen in Riesa. Jetzt – nach Abschluss der Jugend-EM und bevor dann am Donnerstag die echte Europameisterschaft beginnt – bleibt auch mal Zeit, um über das Drumherum zu sprechen. Gerade auch weil es sich ja um unsere Heim-EM handelt. „Wir“ sind schließlich Gastgeber.
Vorweg: Kritik gab es bisher bei fast jeder internationalen Meisterschaft. Was haben wir in den letzten Jahren schon über die Unterkünfte (z.B. in Glasgow), die Akkreditierung (war es in Varna?), die Bus-Shuttles (z.B. in Lissabon) oder das Essen (z.B. in Paris) geschimpft.
Und hier zuhause bekomme ich vielleicht auch von den diversen Problemchen einfach viel mehr mit als anderswo. Aber es hat am Anfang schon gezwickt und gezwackt und hinter den Kulissen gewaltig gekracht.
Mancher Unmut war vorprogrammiert: Zum Beispiel dass es in Riesa schlichtweg nicht genug Hotels für alle gibt. Dass offenbar die Unterbringung stark von der Buchung abwich, hätte aber schon nicht sein müssen. Dafür zeichnet zwar die FVG (Förder- und Verwaltungsgesellschaft) Riesa als eigentlicher Organisator verantwortlich genauso wie für die Bus-Shuttles, am Ende ist für die Gäste aber natürlich die deutsche Sportakrobatik Ausrichter – im Guten wie im Schlechten. Hotels und Transport sind hier, soweit ich das mitbekommen habe, Hauptkritikpunkte der Nationen.
Für die Meisterschaft selbst kann man sagen: Riesa hatte hier einen klasse internationalen Wettkampf vorbereitet. Für eine Europameisterschaft gibt es aber nochmal besondere Regeln. Über viele Anforderungen der Europäischen Turnunion (UEG) kann man sicher diskutieren: Sind sie richtig? Sind sie wichtig? Ist es zum Beispiel entscheidend, ob die Sportler einen eigenen Verpflegungsbereich haben oder ob sie gemeinsam mit den Zuschauern essen? Hm… Aber das ist in dem Moment egal. Bei einer EM schafft die UEG an und der Ausrichter muss die Vorgaben erfüllen. Er kennt sie ja auch Monate oder gar Jahre im Voraus.
Für einen Moment stand sogar auf der Kippe, ob die EM überhaupt durchgeführt wird, weil der Arzt ausfiel und erst mal kein zweiter da war.
Vorsichtig gesagt: Riesa hat die Ausrichtung der Europameisterschaft im Vorfeld unterschätzt. Vor allem war das Team von (fach- und auch englischkundigen) Helfern am Anfang viel zu klein. Völlig unverständlich ist an dem Punkt, dass Hilfsangebote von anderen Vereinen offenbar nicht angenommen wurden.
Aber: Riesa hat sich während der Jugend-EM wahnsinnig gesteigert. Dass allein viermal die Flaggen umgehängt wurden und inzwischen die Musik zuverlässig läuft, ist da nur am offensichtlichsten. Auch die Abläufe im Hintergrund haben sich eingespielt. Stress- und Reizbarkeitslevel sinken langsam wieder in den Toleranzbereich. Zum heutigen ersten Podiumstraining der Junioren und Senioren wurden die Kampfrichtertische geschmückt, jetzt geht es also an die ästhetischen Feinheiten. Und es werden täglich mehr Helfer.
Und wie bei einer Wettkampfübung gilt: Das letzte Element zählt nochmal besonders. Das haben die Kampfrichter noch im Gedächtnis, wenn sie ihre Wertung abgeben. Und mit einer rauschenden Abschlussparty hat Riesa sicher wieder viele Wogen geglättet, die vielleicht anfangs entstanden sind.
Und natürlich gab es von Beginn an auch die guten Seiten: Riesa hat mit Niels Daniel den besten Hallensprecher organisiert, den man für einen Sportakrobatik-Wettkampf bekommen kann. Dank Jack Weltens professionellem Livestream ist ganz Europa dabei. Bühne, Hintergrund und Beleuchtung setzten die Leistungen der Sportler hervorragend in Szene, es sind optimale Fotobedingungen. Selten soll das Essen so gut geschmeckt haben wie hier. Und die Kampfrichter haben mir erzählt, dass es ihnen wirklich an gar nichts fehlt.
Wenn man die Jugend-EM als Generalprobe für die echte Europameisterschaft betrachtet und sich Riesa weiter so steigert, kann das hier noch für alle eine super Europameisterschaft werden.
Category: EM 2015 in Riesa