Hallo aus Baku!
An einem Flügel wie ein überdimensionaler Blumenkranz interpretiert keine Geringere als Lady Gaga gefühlvoll den John-Lennon-Klassiker „Imagine“. Und das in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, das noch bis vor knapp 25 Jahren zur Sowjetunion gehörte und unter anderem wegen der Verletzung von Menschenrechten und Pressefreiheit in der Kritik steht.
Hallo aus Baku! Seit Freitag laufen die ersten Europaspiele aller Zeiten. Der Überraschungsauftritt des US-Popstars war der Höhepunkt einer Eröffnungsfeier, die wahrlich nicht arm an Höhepunkten war und die aber mal ganz locker mit denen von Olympischen Spielen mithalten konnte. Gut zwei Stunden lang feierte Baku für angeblich knapp 85 Millionen Euro sich und diesen Meilenstein für den europäischen Sport. Im Nachhinein wundert man sich, wie das Dach des Olympiastadions solche Massen an Pyrotechnik überhaupt tragen konnte. Allein die Eröffnungsfeier war die Reise nach Baku schon mehr als wert!
Nicht nur die Eröffnungsfeier haben sich die Veranstalter eine Menge Geld kosten lassen: Insgesamt hat Baku angeblich bis zu neun Milliarden Euro investiert, um hier sich als Gastgeber und auch als Stadt von seiner besten Seite zu zeigen. Imagepolitur. Mit Erfolg.
Die Wettkampfstätten wirken nagelneu, die meisten sind es auch tatsächlich. Rundherum wimmelt es nur so vor Volunteers, die einem gefühlt alle zwei Meter mit ihren großen gelben Baku-2015-Wegweiser-Handschuhen zeigen, wo’s lang geht. Vor dem Einlass in eine der Hallen, ins Medien- oder Athletendorf wartet ein Sicherheitscheck genau wie am Flughafen. Es steht aber so viel Personal bereit, dass es zu keinen nennenswerten Verzögerungen kommt. Fast die gesamte Stadt ist im Baku-2015-Design. Lediglich die Bereiche Ticketing und Catering wirkten zu Beginn der Spiele reichlich unterbesetzt sowie notorisch überfordert. Aber das ist wirklich das einzige Haar in der Suppe, das ich bisher finden konnte.
Und auch von Baku selbst kann ich bislang nur schwärmen, eine super Stadt voller Attraktionen: Prunkbauten im Renaissance-Stil wechseln sich ab mit hochmodernen Wolkenkratzern mit Glasfassaden, die nachts zu riesigen Bildschirmen mutieren. Eine herrliche Altstadt. Jede Menge Springbrunnen. Die Fußgängerzone sowie die Promenade am Wasser – von Strand kann man nicht sprechen, weil ans Baden nicht zu denken ist – gleichen abends einer einzigen Fanmeile. Überall ist etwas geboten und der Teufel los. Auf den Nebenstrecken nimmt der Glanz zwar rapide ab, aber: Ganz Baku bebt und feiert die Europaspiele. Die Stadt pulsiert förmlich im Takt ihrer Spiele. Jeder einzelne scheint sich über die vielen Gäste aus ganz Europa zu freuen und ist extrem freundlich. Nur der Verkehr ist eine einzige Katastrophe. (Der Aserbaidschaner hupt übrigens fürs Leben gerne.)
Die europäische Sportakrobatik kann sich glücklich schätzen, als nicht-olympische Sportart bei diesen Spielen dabei sein zu dürfen. Und die nominierten Sportlerinnen und Sportler natürlich sowieso. Sportler, Kampfrichter, Funktionäre: Macht etwas aus dieser Chance! Es dürfte die größte und professionellste Bühne aller Zeiten werden.
Die deutsche Mannschaft ist gestern Abend wohlbehalten in Baku angekommen. Das ist die wichtigste Nachricht und leider nicht selbstverständlich angesichts des schockierenden Unfalls am Donnerstag im Athletendorf, als Sportler aus Österreich von einem der Shuttlebusse umgenietet wurden.
Am heutigen Sonntag stand von 10.40 Uhr bis 13 Uhr das erste Training auf dem Programm. Neben der Wettkampfhalle wurde ein riesiges Zelt als Trainingshalle aufgestellt. Quasi rund um die Uhr trainieren hier alle Turndisziplinen nebeneinander. Der Federboden der Sportakrobaten befindet sich zwischen drei Trampolinen auf der einen und dem Boden der Kunstturnerinnen auf der anderen Seite. Es gibt für die Sportakrobaten keine Rotation wie bei Welt- und Europameisterschaften, die komplette Trainingseinheit findet an ein und derselben Stelle statt. Jeweils zwei Nationen teilen sich die Fläche, Deutschland trainiert zusammen mit Polen. Weiter hinten in der Halle sind diverse Floors für Kunstturnen männlich, Rhythmische Sportgymnastik und Aerobic. Und seitlich stehen noch mindestens zwei Gerätesätze für die Turner – inklusive mindestens vier Schnitzelgruben. Alles in allem optimale Bedingungen, lediglich akustisch ist es eine kleine Herausforderung, da sich die Musiken von Sportakrobatik, Rhythmischer Sportgymnastik und Aerobic natürlich überlagern.
Am morgigen Montag steht eine weitere Einheit in der Trainingshalle auf dem Programm, am Dienstag Podiumstraining – allerdings vor komplett leeren Rängen. Kein Einlass! (Außer für die Presse… ;-))
Dann am Mittwoch wird es ernst: Balance und Tempo! Von den allermeisten Wettkämpfen scheint es einen Livestream auf baku2015.com zu geben. Aber Achtung: Wettkampfbeginn Ortszeit um 10 Uhr am Mittwoch und Freitag (Kombi) bedeutet 7 Uhr in Deutschland. Wettkampfbeginn für die „kleinen“ Finals am Sonntag um 14.30 Uhr heißt demnach 11.30 in Deutschland.
Die Tickets sind mit drei Euro bzw. fünf Euro an Finaltagen übrigens sehr günstig. Es sollten sich wohl möglichst viele Aserbaidschaner den Eintritt zu den Spielen leisten können. Alle drei Sportakrobatik-Wettkampftage sind bereits restlos ausverkauft. Das mag allerdings auch daran liegen, dass Sportakrobatik zusammen mit Rhythmischer Sportgymnastik ausgetragen wird.
Impressionen aus Baku gibt’s hier.
Category: Europaspiele 2015 in Baku
Die Übertragung von Sport 1 ist nahezu eine Beleidigung – ich hoffe, der Livestream auf der Internetseite funktioniert an den entsprechenden Tagen so, dass alle Akrobatik-Fans auf ihre Kosten kommen und das Können aller Teilnehmer entsprechend präsentiert werden kann. Viel Erfolg an alle und bringt schöne und spannende Eindrücke und Erfahrungen mit!