Paris, Tag 8: Die zwei Seiten einer Medaille, die es leider (noch) nicht gab
Die Jugend- und Junioren-WM 2014 ist Geschichte, die deutsche Nationalmannschaft schon wieder auf der Heimreise. Heute im Lauf des Tages kommen die Senioren zur „echten“ Weltmeisterschaft. Der Blogeintrag zum gestrigen siebten Tag hier in Paris fiel aus, da war eigentlich wie immer bisher ein Medaillenfoto fest eingeplant. Eine erste Bilanz.
Rekordverdächtige Qualifikation
Auf der einen Seite hat Deutschland wahrscheinlich noch nie so viele Plätze in den diversen Finals erreicht. Die Qualifikation lief nahezu perfekt. 9 von 13 möglichen Tickets für die Endrunde. Plus die, die noch bei den Senioren kommen. Und das, obwohl die Konkurrenz immer noch mehr wird. 34 Nationen insgesamt, teilweise fast 40 Starter pro Kategorie. Natürlich gab es diesmal auch erstmalig bei einer Weltmeisterschaft die zusätzliche Altersklasse für die 13- bis 19-Jährigen. Aber trotzdem: Die Qualifikation war aus deutscher Sicht rekordverdächtig!
Auch kann man erfreut konstatieren, dass hier fast alle Deutschen mit ihrer individuellen Leistung hochzufrieden sein dürften. Dass Debütanten sowieso und auch alle anderen (als Amateursportler im Vergleich zu Russland, England etc.) bei einer WM mal Nerven zeigen, aufgeregt sind oder ihnen gar ein Patzer unterläuft, ist völlig akzeptabel. Aber fast alle haben hier eben auch mindestens einmal, manche sogar durch die Bank, auf den Punkt ihre Bestleistung abrufen können. Dazu Gratulation!
Bittere Zäsur: Serie gerissen
Auf der anderen Seite ist diese WM ist eine Zäsur für die deutsche Sportakrobatik: Eine riesige sowieso, weil es die letzte internationale Meisterschaft unter Bundestrainer Vitcho Kolev ist. Aber dann eben auch die ganz bittere weitere Zäsur, weil Deutschland zum ersten Mal seit 2006 aller Voraussicht nach bei einer Welt- oder Europameisterschaft keine Medaille gewinnen wird. Bei der Jugend- und Junioren-WM waren zwei sechste Plätze vom 13-19-Damenpaar Emily Langenmayr und Diana Dierich sowie von der 11-16-Herrengruppe Sebastian Grohmann, Florian Vitera, Erik Leppuhner und Tom Mädler die besten Ergebnisse.
Hier alle Ergebnisse im Überblick (bei den Finalisten jeweils inkl. der Anzahl von Nationen). Die Siegerlisten gibt es hier:
Age Group 11-16
- Camille Herrmann und Lilly Kutta, Platz sieben von 38 Damenpaaren / 26 Nationen
- Annalena Kunz und Kim Weickert, Platz 17
- Sarah Arndt, Anika Liebelt und Johanna Schmalfuß, Platz sieben von 34 Damengruppen / 21 Nationen
- Valery Maslo, Natalia Persicke und Sophie Schreiner, Platz 20
- Richard Kretzschmar und Mara Dittrich, Platz acht von 20 Mixed Paaren / 13 Nationen
- Stefan Höntsch und Xenia Bartel, Platz 14
- Sebastian Grohmann, Florian Vitera, Erik Leppuhner und Tom Mädler, Platz sechs von neun Herrengruppen / sieben Nationen
- Maximilian Dittrich und Tim Kaczmarek, Platz zwölf von zwölf Herrenpaaren
Age Group 12-18
- Michelle Mausolf, Antonia Ristedt und Gofran Solh, Platz sieben von 35 Damengruppen / 22 Nationen
- Sarah Haslinger und Lara Kielkopf, Platz sieben von 22 Damenpaaren / 18 Nationen
- Jana Mendel und Xenia Mehlhaff, Patz 20
- Franz Krämer und Michail Kraft, Platz acht von 13 Herrenpaaren / elf Nationen
- Johannes Belovencev, Alexander Jakovlev, Kirill Mill und Andreas Felker, Platz sieben von sieben Herrengruppen
Age Group 13-19
- Diana Dierich und Emily Langenmayr, Platz sechs von zwölf Damenpaaren / neun Nationen
- Julia Schilling und Paulina Klement, aus gesundheitlichen Gründen nicht am Start
- Katharina Bräunlich, Laura Jolitz und Flora Sochor, Platz elf von 24 Damengruppen
- Tim Sebastian und Emilia Winter, Platz sieben von 14 Mixed Paaren / elf Nationen
- Paul Behrendt und Lukas Teichmann, Platz elf von elf Herrenpaaren
Deutschland im vorderen Mittelfeld
Deutschland kommt im Medaillenspiegel der Jugend- und Junioren-WM nicht vor. Unabhängig von vielleicht zu niedrigen Wertungen – dazu später mehr – war eine Medaille diesmal aber auch sportlich nicht drin. Nur Camille Herrmann und Lilly Kutta wären in Frage gekommen, wie ihr sagenhafter zweiter Platz nach der Qualifikation beweist. Im Finale konnten sie an ihre Leistung vom Vorkampf jedoch nicht ganz anknüpfen. Schade! Abhaken! Nächstes Mal wieder!!
Neun von 33 Nationen haben es geschafft, sich in den Medaillenspiegel einzutragen. Bei den Nicht-Medaillengewinnern, auch wenn außer dem Medaillenspiegel kein Nationenranking vorliegt, dürfte Deutschland relativ weit vorn stehen: Vorderes Mittelfeld, würde ich sagen, über alle drei Altersklassen hinweg betrachtet. Je jünger die Sportler, desto weiter vorn in der Regel – wie immer. Camille Herrmann und Lilly Kutta, Sarah Arndt, Anika Liebelt und Johanna Schmalfuß sowie Michelle Mausolf, Antonia Ristedt und Gofran Solh finden sich sogar im ersten Drittel wieder.
Das ist stark, revidiert allerdings die Momentaufnahme von der EM 2013 in Lissabon etwas. Damals durften wir (nur auf die Altersklassen 11-16 und 12-18 bezogen) konstatieren: Deutschland hat sich aus dem Mittelmaß weit nach vorn gearbeitet. Und: Deutschland ist im Jugendbereich plötzlich bei den Verfolgern vorn dabei.
Leider stimmt das aus heutiger Sicht nun doch nicht mehr ganz. Ob es letztes Jahr ein Ausreißer nach oben war oder, hoffentlich, diesmal einfach ein besonders guter Jahrgang, wird die weitere Entwicklung zeigen. Dass es sich jetzt um eine Welt- statt eine Europameisterschaft handelte, spielt keine wesentliche Rolle. Mehr als die USA und Kasachstan reihen sich bei einer WM nicht zusätzlich vor Deutschland ein. Kasachstan war übrigens die Nation, die bei dieser WM durch die positivste Entwicklung aufgefallen ist: Jede Menge Sportler, und alle bockstark. Aus meiner Sicht eher enttäuschend präsentierten sich hier bislang die Weißrussen, von denen ich mehr erwartet hatte.
Keine Lobby am Kampfrichtertisch?
Eine dritte Möglichkeit wäre, das schwächere Abschneiden im Vergleich zum letzten Jahr auf die Kampfrichter zu schieben. Klingt nach der einfachsten Lösung und klingt so, als würde man die Schuld anderen in die Schuhe schieben wollen. Trotzdem muss man sie diesmal aufführen. Während aus meiner Sicht Nationen wie Portugal, Belgien oder auch die USA gern mal überbewertet werden, muss Deutschland für eine faire Wertung dankbar sein. Es gab in den letzten vier Tagen eigentlich nur eine einzige Wertung, von der man sagen kann, dass Deutschland damit besonders gut weggekommen ist – die 27 Punkte von Michelle Mausolf, Antonia Ristedt und Gofran Solh in Tempo.
Vor allem nach den gestrigen Finals hadert Deutschland mit den Kampfrichtern. Es wäre wirklich hochspannend zu erfahren, ob die Kampfrichter wirklich stichhaltige Argumente haben, warum die Deutschen schlechter sind als andere, die aus Laiensicht eher schwächer waren. Oder ob Deutschland schlichtweg keine Lobby an den Kampfrichter- und Jurytischen hat.
Category: WM 2014 in Paris
Hadert nicht mit den Wertungsrichtern,die sind nun mal nicht unparteiisch. Sportarten die von diesen abhängen haben immer den Makel der ungerechten Bewertung. Leider kann man daran nichts ändern oder doch? Vielleicht sollte man einen Computer erfinden, der auf spezielle Elemente ausgerichtet ist und diese korrekt bewerten kann. Wäre mal was für die Spezialisten in der Forschung. Profitieren könnten dann auch die anderen Sportarten mit Jury.