EM-Bilanz (1): Der Rahmen

| 29. Oktober 2013 | 3 Comments

Sorry zunächst einmal für so viel Text! Aber die Eindrücke von zwei langen Wochen wollen verarbeitet werden, die guten und die schlechten. Und da hat sich einiges angestaut…

Tadellose Organisation des Wettkampfes

Über 150 Volunteers, also freiwillige Helfer, hatten die Portugiesen für die Sportakrobatik-EM rekrutiert. Dazu kam gefühlt noch einmal eine ähnliche Menge an Polizei bzw. Security. Zuweilen mangelte es der vielen Manpower allerdings an Ahnung, so dass wahrscheinlich ein Drittel an Personal, dafür kompetente Kräfte, die Veranstaltung genauso gut hingekriegt hätten.

Man muss aber neidlos anerkennen, dass die Portugiesen die Europameisterschaft super ausgerichtet haben – vor allem was den Wettkampf selbst betrifft. Der war tadellos organisiert und lief wie am Schnürchen. Da wird es für Deutschland bzw. Riesa in zwei Jahren schwer, dieses Niveau zu halten.

Drumherum gab es freilich auch Schattenseiten: Das Essen soll ziemlich unterdurchschnittlich gewesen sein, der Transport war zuweilen sogar ein Fiasko: Wer sich das ausgedacht hat, zehn Minuten vor Wettkampfende alle Busse von der Halle in Richtung Hotels abfahren zu lassen und dann erst wieder eine Stunde nach Wettkampfende, hätte seinen Masterplan den vielen Wartenden mal erläutern sollen. Warum ein proppenvoller Bus nicht sofort losfährt, sondern erst zur vorgeschrieben Zeit, muss man auch nicht begreifen. Überhaupt kein  Verständnis erntete zu guter Letzt, dass die Fahrer Ihre Gäste mitunter vor verschlossenen Bustüren buchstäblich im Regen stehen ließen.

Viermal, jeweils zu den beiden Eröffnungs- und Abschlusszeremonien, muteten die Ausrichter ihren Gästen die (fast) ganz gleiche Show zu. Und die war – wenn überhaupt – nur beim ersten Mal lustig.

PR-Strategie der Portugiesen geht auf!

Aber wieder zu den Sonnenseiten: Die Banketts waren toll!

EM-PressespiegelUnd die Portugiesen haben eine erstklassige Pressearbeit geleistet. Der Pressespiegel (hier im Bild sogar nur ein Zwischenstand) kann sich sehen lassen. Die Zeitungen, lokal wie national, waren voll. Die individuellen Finals der Senioren übertrug der Fernsehsender RTP2 – und das ist kein kleiner – zwei Tage lang komplett live. Gigantisch! Die Sportakrobatik hat in Portugal einen viel höheren Stellenwert als bei uns (Heute auf dem Heimflug lief im Flugzeug zum Beispiel ein Trailer vom Maia Cup) und diese EM hat den Status der Sportakrobatik in Portugal garantiert noch einmal gestärkt.

Da passt eigentlich nicht ins Bild, dass die kleine Halle in Odivelas nie auch nur ansatzweise voll wurde.

Wesentlichen Anteil an der überwältigenden medialen Resonanz dürfte auch das super Abschneiden der Portugiesen mit acht Medaillen haben. Die Gastgeber waren ohne Frage bockstark, aber in keinem anderen Land der Welt hätten sie einen vergleichbaren Erfolg erzielt. Der Heimvorteil war eklatant. Der Gipfel war die Goldmedaille des portugiesischen Senioren-Mixed-Paares in Balance. Auf dessen Triumph war das gesamte EM-Konzept der Portugiesen ausgerichtet, man braucht sich ja bloß mal die Plakate etc. anzusehen: Deshalb bekamen sie ihre Goldmedaille – unverdient, siehe dazu auch die Einschätzung des Unterlegenen! ‚Wenn wir die EM für euch ausrichten, muss dabei auch etwas für uns rausspringen‘, scheinen die Portugiesen der UEG gesagt zu haben. Hoffentlich hat Deutschland bzw. Riesa ähnlich gut verhandelt oder tut das noch.

Null Transparenz im Acro-TC der UEG a.k.a. Superior Jury

Chat der Jury mit den CJPsVon einigen optimistischen Idealvorstellungen musste man sich wieder einmal recht bald verabschieden, zum Beispiel: Wer glaubt, dass der Einsatz der Kampfrichter gelost wurde, irrt wohl. Wer glaubt, dass keine Wertungskorrekturen erforderlich waren, bloß weil die Superior Jury nicht wie früher ständig zu den Kampfgerichten marschierte, irrt definitiv: Heutzutage sind Superior Jury und Hauptkampfrichter per Chat miteinander verbunden. Und wer glaubt, dass Hauptkampfrichter und Superior Jury nur eingegriffen haben, wenn sich die normalen Kampfrichter nicht einig waren, irrt leider auch. Das alles legen Gespräche mit Kampfrichtern und Beobachtungen der Jury von der Tribüne aus nahe. „Mauscheln 2.0“ könnte man das nennen. Vor allem war Transparenz bei den Entscheidungen der Jury wieder einmal völlige Fehlanzeige. Eher regierte anscheinend Willkür.

Höhepunkt der Willkür: Am Mittwoch, Donnerstag und Freitag bekam das belgische Junioren-Mixed-Paar keinen Größenabzug, am Samstag und Sonntag dann schon. Lächerlich! Und leider einfach nur traurig.

Übrigens waren von dem siebenköpfigen Technischen Komitee für Sportakrobatik in der UEG vier Mitglieder in Bezug auf die Wertungen weitgehend abgemeldet. Keine Ahnung, was die genau getrieben haben. Die Strippen zogen jedoch ganz offensichtlich der Präsident aus England, die Vize-Präsidentin aus Frankreich und der Portugiese.

Mobbing der eigenen Jugend

Um last but not least noch einmal auf das Thema Öffentlichkeitsarbeit zu kommen: Was die UEG sich da vor allem zur Jugend-EM leistet, ist eine Unverschämtheit: Weder befand es die Pressedame der UEG für nötig, überhaupt erst anzureisen, noch stellte sie von zu Hause aus auch nur einen einzigen Bericht auf die Verbandswebseite. Die Sportler so zu ignorieren, das ist fast schon Mobbing. Dabei ist ein bisschen Beachtung, Wertschätzung und Publicity ja ohnehin das einzige, was man als Verband in unserer Sportart den Aktiven überhaupt zu bieten hat. Als Deutscher kennt man das ja leider vom eigenen Spitzenverband nur allzu gut. Ein doppeltes Problem für Riesa 2015 by the way.

Tags:

Category: EM 2013 in Lissabon

Comments (3)

Trackback URL | Comments RSS Feed

  1. Anna sagt:

    Wird es einen Livestream geben für den Horst Stephan Pokal geben?

  2. Stine sagt:

    Das gleiche Problem gibt es in der RSG und im Turnen!

  3. Doc sagt:

    Lieber Sebastian,
    danke für diesen sehr guten Bericht.Besonders die Ausführungen über die Willkür der obersten Kampfrichter ist erschreckend und bestätigt mir den Eindruck von vor Ort.Deutschland hat diese Art der Bewertung wahrscheinlich noch zwei Bronzemedaillen durch die Herren-Paare gekostet.Ich finde es nur schade für alle Sportler,die dadurch betrogen werden.Die Sportler trainieren Jahre,um sich einem fairen Wettkampf zu stellen.Sie wollen gerecht bewertet werden.Schade,wenn das durch Nichtsportler kaputtgemacht wird.Ich hoffe,dass wir das in Riesa nicht erleben müssen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert