Kaum Infos! Hat die UEG kein Interesse (mehr) an der Team-EM der Sportakrobaten?
Na hoppla! Genau heute in einer Woche reist die deutsche Nationalmannschaft zur Europäischen Mannschafts-Meisterschaft nach Rzeszów. Bereits am Tag darauf beginnen dort die Wettkämpfe der nebenbei stattfindenden Jugend-EM (ohne deutsche Teilnehmer). Ab Samstag messen sich dann die Teams der Junioren und Senioren. Aber man wird so miserabel informiert über diese Veranstaltung, dass man sie beinahe vergessen könnte.
Zum Jahresbeginn hatte Laurie Colton, Chef der europäischen Sportakrobatik, noch eifrig die Werbetrommel gerührt und auf der Website des Europäischen Turnverbandes UEG in der Rubrik für Sportakrobatik alle Nationen in Großbuchstaben zur Teilnahme aufgefordert: „IF YOU WANT to keep the TEAM CHAMPIONSHIPS – ENTER A TEAM.“ Sein Appell verhallte allerdings erfolglos! Gerade einmal sechs Mannschaften sowohl bei den Junioren als auch bei den Senioren gehen in Rzeszów an den Start. Damit ist die zweite Team-EM, die ohnehin nur als Test-Event deklariert ist, voraussichtlich auch die letzte. Es muss Colton hart getroffen haben, dass inzwischen sogar seine Briten ihr Senioren-Team mangels Personal wieder abmeldeten. Interessanterweise hatte England von vornherein niemand von Neil Griffiths berühmten „Spelboundlern“ nominiert. Er und seine Heathrower Akrobaten haben offenbar kein Interesse.
Gleiches scheint mittlerweile auch für die gesamte UEG zu gelten. Ein müder Beitrag nach Meldeschluss über die teilnehmenden Nationen ist so ziemlich das Einzige, was sich deren Webseite entlocken lässt. Auf der Seite zur Team-EM herrscht gähnende Leere, seit Monaten findet man hier nur das leere Versprechen, dass „weitere Informationen bald folgen würden“. Nicht in einer einzigen Vorschau wird versucht, das Interesse der Öffentlichkeit oder der Medien an den Titelkämpfen zu wecken. Diese Pressearbeit des Veranstalters lässt nur zwei Schlüsse zu: Entweder kann die UEG nicht oder sie will nicht! Lässt der Europäische Turnverband die Team-EM der Akrobaten etwa ganz bewusst links liegen, vielleicht weil sich eben nur ein halbes Dutzend Länder beteiligt?
Immerhin hat irgendwer vor kurzem den Versuch gestartet, die Teilnehmerliste zu verlinken, allerdings hat er das falsche Dokument erwischt, nämlich die Auflistung der Teilnehmer der TeamGym-EM, die zeitgleich (!) im schwedischen Malmö stattfindet. Es mag die Sportakrobaten trösten, dass sich zu dieser Konkurrenzveranstaltung übrigens auch nicht wesentlich mehr Informationen auf der Webseite der UEG finden. Aber zurück zu den Akrobaten und ihrer Team-EM: Leider entdeckt man auch bei den teilnehmenden Nationen kaum Versuche, die Desinformationspolitik der UEG zu kompensieren. Höchstens die eigene Delegation wird in aller Kürze genannt. Alles in allem macht das einen derart traurigen Eindruck vom anstehenden Jahreshöhepunkt der Abteilung Sportakrobatik im Europäischen Turnverband, dass auch ich mich entschieden habe, lieber daheim zu bleiben.
Die UEG sollte in Zukunft wirklich tunlichst vermeiden, ihre Veranstaltungen allzu dicht nach den Events des Weltverbandes FIG zu planen. Zumindest in der Sportakrobatik ist der direkte Vergleich für die UEG einfach nur blamabel. Zwischen einer Welt- und Europameisterschaft liegen hinsichtlich der Organisation und wahrgenommenen Leidenschaft des Veranstalters Lichtjahre. Ob es an mangelnder Wertschätzung der Akrobaten im europäischen Verband liegt oder der Unfähigkeit der UEG im Allgemeinen, weiß ich nicht. Da ich aber schon von mehreren Journalisten- und Fotografenkollegen Ähnliches über die anderen Disziplinen gehört habe, trifft wohl eher Letzteres zu.
Natürlich befindet sich die UEG derzeit im Umbruch. Erst seit Januar ist der neue Präsident Georges Guelzec im Amt, erst vor wenigen Wochen nahm die neue Direktorin Kirsi Erofejeff-Engman ihre Arbeit auf, aktuell sucht die UEG noch einen Medienchef. Unklar ist mir allerdings, warum dann nicht das Technische Komitee für Sportakrobatik einspringt und „seine“ Veranstaltung wenigstens ein bisschen promotet. In diesem Gremium ist und war Deutschland seit Januar durch Kerstin Hoffmann und in den Jahren zuvor durch Norbert Müllmann übrigens auch immer vertreten. Hinsichtlich einer geschickteren Außendarstellung der europäischen Sportakrobatik konnten sie aber offensichtlich (noch) keine Impulse setzen. Wobei ich mir auch durchaus vorstellen kann, dass da die festgefahrenen Verbandsstrukturen auch nicht allzu leicht aufzubrechen sind…
Traurig ist das vor allem für die Teilnehmer, die zum Teil viel Geld für den Spaß bezahlt haben. Der Deutsche Sportakrobatik Bund beispielsweise kann nicht einmal einen Teil der Kosten schultern und gibt diese komplett an die Sportler bzw. deren Eltern weiter. Rund 500 Euro muss man pro Person aufbringen. Meist springen zum Glück Vereine und Landesverbände in die Bresche und übernehmen wenigstens einen Teil der Kosten. Aber lohnt sich diese Investition für ein Event, das nicht einmal den Veranstalter zu interessieren scheint? Zudem sind die Erfolgsaussichten für Deutschland mehr als düster: Gegen Russland, die Ukraine, Weißrussland, Polen, Bulgarien (nur Senioren) und England (nur Junioren) wird aller Voraussicht nach nichts zu holen sein…
Man kann nur hoffen, dass wenigstens die Ausrichter ihre Aufgabe ernst nehmen und vor Ort eine attraktive Veranstaltung auf die Beine stellen, für eine würdige Kulisse sorgen, allen Beteiligten eine unvergessliche Zeit bescheren sowie die weltweite Öffentlichkeit rasch und umfassend von den Geschehnissen in Rzeszów informieren. Bei der Weltmeisterschaft im Juli haben die Polen ja schon bewiesen, dass sie das können. Immerhin gingen sie vor etwa zwei Wochen mit einer Webseite online, auf der man jetzt endlich wenigstens die wichtigsten Infos wie zum Beispiel den Workplan mit detailliertem Zeitplan und die Startreihenfolge (Junioren | Senioren) findet.
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